Klare Mehrheit will digitalen Pass lieber vom Staat als von privaten Firmen – doch die Politik hat andere Pläne

Nach dem Willen des Parlaments sollen künftig private Unternehmen die elektronische Identität ausstellen. Doch diese Idee ist umstritten, wie die Resultate einer neuen Umfrage zeigen.

Lukas Mäder, Bern
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Die Antwort fällt überdeutlich aus: Die elektronische Identität (E-ID) soll vom Staat ausgestellt werden, finden 87 Prozent der Schweizer. Dass private Unternehmen diese Aufgabe übernehmen, befürworten nur gerade 2 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt das Meinungsforschungsinstitut Demoscope in einer repräsentativen Befragung, welche die Gegner einer privat ausgestellten E-ID in Auftrag gegeben haben.

Wer soll die elektronische Identität (E-ID) herausgeben?

Staat
macht keinen Unterschied
private Unternehmen
weiss nicht
keine Angabe

Die Resultate der Umfrage stehen im Widerspruch zur laufenden Gesetzesberatung im Parlament. Diese Vorlage sieht vor, dass nicht der Staat selbst den digitalen Pass ausstellt, sondern private Unternehmen. Diese müssten sich dafür vom Bund anerkennen und im Betrieb überwachen lassen. Im März war diese Aufgabenteilung zwischen Staat und Privaten im Nationalrat fast unbestritten. Nur von links gab es Widerstand.

Wer geniesst das grössere Vertrauen beim Datenschutz der E-ID?

Staat
macht keinen Unterschied
private Unternehmen
weiss nicht
keine Angabe

Die Gegner dieser Konzeption wollen mit der am Montag publizierten Umfrage den politischen Druck erhöhen. Anfang Juni berät der Ständerat das Gesetz. Eine privat ausgestellte E-ID geniesse kein Vertrauen in der Bevölkerung, so die Botschaft der Gegner. 75 Prozent der 973 befragten Personen gaben an, dem Staat in Sachen Datenschutz bei der E-ID mehr zu vertrauen als privaten Firmen. Sie verlangen, dass der Bund selbst die E-ID herausgibt.

Konsumentenschutz als prominenter Gegner

Zur Allianz gegen die privat-staatliche Kooperation gehören inzwischen auch die drei grossen Konsumentenschutzorganisationen. Sie verleihen der Kritik zusätzliches Gewicht, kam diese doch bisher nur von der Digitalen Gesellschaft sowie von Daniel Graf und seinen Organisationen Public Beta und Wecollect, die sich als Online-Plattform für Unterschriftensammlungen etabliert hat. Mit dem Konsumentenschutz hätte die Allianz auch die nötige Kraft für ein allfälliges Referendum, das seit Wochen als Drohkulisse im Raum steht.

Dass der Staat in Fragen des Datenschutzes ein grösseres Vertrauen geniesst als Unternehmen, erstaunt nicht. Zu diesem Schluss kam bereits vor zwei Jahren eine Umfrage des Verbands Swiss Fintech Innovations, zu dem Schweizer Banken und Versicherungen gehören. Damals war für 74 Prozent der Befragten die öffentliche Hand der bevorzugte Anbieter einer E-ID. Die Banken kamen immerhin noch auf 60 Prozent, während Krankenkassen und Versicherungen nur gerade von 46 Prozent als mögliche E-ID-Aussteller genannt wurden. Heute gehören Banken, Versicherungen und Krankenkassen zum Konsortium von Swisssign, das künftig eine staatlich anerkannte E-ID herausgeben möchte – neben der Post, den SBB und der Swisscom.

Was bei einer Umfrage herauskommt, hängt immer auch davon ab, wie genau gefragt wird. So war es in der Umfrage von 2017 für 87 Prozent der Befragten durchaus vorstellbar, dass ein privates Unternehmen als Anbieter einer E-ID auftritt. Ob dies auch die bevorzugte Lösung ist, bleibt offen. Die jüngste Befragung hingegen fragte klarer und gab keinen Hinweis darauf, dass die privaten E-ID-Herausgeber vom Staat anerkannt sein müssen und kontrolliert werden. Auch interessierte sich die Umfrage der gegnerischen Allianz nicht dafür, wem die Teilnehmer in der Frage der technischen Umsetzung mehr vertrauen. Möglicherweise hätte da der Staat im Vergleich zu den privaten Unternehmen schlechter abgeschnitten. Immerhin stimmen die Resultate bei den Anwendungsbereichen überein: In beiden Umfragen steht der Kontakt mit den Behörden bei der Verwendung der E-ID im Vordergrund.

Behördengänge und Abstimmungen stehen im Vordergrund

Wofür die Befragten die E-ID am ehesten nutzen wollen
18-34 Jahre
35-54 Jahre
55-74 Jahre

Skepsis der Ständeräte ist verflogen

Dass sich die Ständeräte bei ihrer Beratung nächste Woche durch die neu präsentierten Umfrageergebnisse noch umstimmen lassen, erscheint unwahrscheinlich. Die vorberatende Rechtskommission hatte nach anfänglicher Skepsis der staatlich-privaten Kooperation Mitte Mai zugestimmt – und zwar einstimmig. Einzig aus der SP dürfte dem Vernehmen nach noch ein Rückweisungsantrag für eine grundlegende Konzeptänderung kommen, wie ihn der Nationalrat bereits im März abgelehnt hatte.

Dass die Ständeräte in der Rechtskommission ihre Meinung geändert haben, liegt wohl vor allem an der neuen Aufsichtskommission, die sie in das Gesetz aufgenommen haben. Anstelle einer Verwaltungseinheit des Bundes soll eine unabhängige Kommission, genannt Eidcom, für die Anerkennung der privaten E-ID-Anbieter verantwortlich sein und diese später im Betrieb überwachen. Die fünf bis sieben Mitglieder sind Sachverständige, die vom Bundesrat ernannt werden und unabhängig entscheiden sollen. Die Kosten der Eidcom werden über Gebühren der E-ID-Anbieter gedeckt. Der Bundesrat unterstützt inzwischen diesen Vorschlag ebenfalls.

Zwar ändert die neue unabhängige Kommission nicht viel am Konzept der privat ausgestellten E-ID. Für die privaten E-ID-Anbieter bedeutet sie in erster Linie einen grösseren finanziellen Aufwand, da ihnen der Bund die Kosten der Kommission über Gebühren weiterverrechnet. Doch die unabhängige Aufsicht könnte das Vertrauen der Bevölkerung in die vorgeschlagene Lösung erhöhen. Darauf beruhen auch die Hoffnungen der Befürworter des vorliegenden Entwurfs – insbesondere im Hinblick auf ein mögliches Referendum.